Gespräch mit John Rutter bei den Proben zu einer Aufführung seines Magnificat am 16. Mai 2015
Kurz vor der Generalprobe für das Abschlusskonzert beim FESTIVOKAL 2015 im Jugendstil-Konzertsaal in Bad Nauheim gelang es Annette Hausmanns (Pressearbeit Cantiamo Ockstadt, Fotos) und Heidi Ehrhardt-Nocken M.A. (Pressearbeit KonzertChor Bergisch Gladbach), John Rutter ein paar Fragen zu seiner musikalischen Arbeit zu stellen.
Obwohl er am Morgen einen Workshop mit 250 Festivokalteilnehmern geleitet hatte und am Abend sein Magnificat als Höhepunkt des Festivals persönlich dirigieren würde, war er spontan dazu bereit. Er wirkte inspiriert, frisch und munter – so will man kaum glauben, dass er in diesem Jahr schon 70 Jahre alt wird.
Heidi Ehrhardt-Nocken M.A.
Für mich persönlich – lieber Herr Rutter – ist das Erstaunlichste an Ihrem Werk, neben der tollen Musik und dem Spaziergang durch verschiedene Musikjahrhunderte, die emotionale Ebene. Wie erklären Sie das?
John Rutter
Ich bemühe mich, einfache (simple music) Musik zu schreiben, die jeder verstehen kann und die die Zuhörer unmittelbar berührt. Natürlich kann man im 21. Jahrhundert eine andere oder intellektuellere Zugehensweise beim Komponieren haben, aber das will ich nicht.
Heidi Ehrhardt-Nocken M.A.
Wie war Ihr persönlicher Weg in die Welt der professionellen Musik? Wie erklären Sie, dass die einzelnen Sätze im MAGNIFICAT dem Chor sprachlich so perfekt „aufs Maul“ geschrieben sind?
John Rutter
Ich komme aus der Tradition der großen englischen Chöre und habe am Clare College in Cambridge studiert. (Anmerkung: dort war er Musikdirektor von 1975-1979) Chormusik ist meine mentale Landschaft (mental landscape). Das erklärt die spezielle Herangehensweise bei der Komposition für Chöre. (Anmerkung: bereits 1981 gründete er den professionellen Kammerchor THE CAMBRIDGE SINGERS, der viele Plattenaufnahmen gemacht hat).
Heidi Ehrhardt-Nocken M.A.
Können Sie den Weg bzw. die Umstände erklären, wie es zur Uraufführung des MAGNIFICAT 1990 in New York kam? Wer machte die entscheidenden Schritte oder letztendlich den „Türöffner“ für die Carnegie Hall?
John Rutter
Es war der Konzertmanager und Impresario – im besten Sinne des Worte – David Willcox. Der hatte die guten Beziehungen zu New York und forderte mich auf, doch ein großes Werk für die Carnegie Hall zu komponieren. So kam es dazu. In Europa war ich ja schon durch viele Kompositionen und Auftritte mit meinem Chor bekannt.
Heidi Ehrhardt-Nocken M.A.
Haben sie ein Hauptinstrument oder ist es die menschliche Stimme?
John Rutter
Als Komponist spielt man virtuell alle Instrumente. Deshalb kann ich mich auch auf kein bestimmtes festlegen. Es steht alles immer im Gesamtkontext des ganzen Werks.
Heidi Ehrhardt-Nocken M.A.
Welche Eigenschaften oder Fähigkeiten mögen Sie besonders bei der Arbeit mit deutschen Chören?
John Rutter
Also die deutschen Chöre kommen auch aus einer großen Tradition – ähnlich wie die englischen. Aber bei meiner Arbeit mit Chören in der ganzen Welt, sei es Korea, Amerika, Mexiko oder in Europa, habe ich das gleiche Engagement oder die gleiche Leidenschaft für Musik erlebt. Da möchte ich niemanden besonders hervorheben…
Heidi Ehrhardt-Nocken M.A.
Was ist Ihre nächste große Komposition, Herr Rutter?
John Rutter
„The Gift Of Life“ wird nächste Woche in New York aufgeführt und ich bin dabei.
Heidi Ehrhardt-Nocken M.A.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Rutter!